Schutz der Flussperlmuschel im Gießenbach
Die Regionalgruppe Machland des OÖ Naturschutzbundes betreut in enger Zusammenarbeit mit dem Technischen Büro für Gewässerökologie (www.blattfisch.at) ein im Frühling 2006 entdecktes Restvorkommen der vom Aussterben bedrohten Flussperlmuschel im Gießenbach. Im selben Jahr wurde dieses Vorkommen im Auftrag der Naturschutzabteilung der OÖ Landesregierung vom Büro Blattfisch kartiert. Die dabei gefundenen 200 Individuen wurden einzeln vermessen, wobei aus den Schalenlängen das Alter der Tiere berechnet werden konnte. Erfreulich ist, dass es sich um einen -für Flussperlmuscheln, die bei uns bis zu 110 Jahre alt werden können- ausgesprochen jungen Bestand handelt. So ist der Großteil der Individuen zwischen 20 und 35 Jahre alt, wobei jedoch seit etwa 15 Jahren die Fortpflanzung vollständig auszubleiben scheint. Berichten von ortsansässigen Landwirten zufolge war noch vor 30 Jahren das gesamte Gewässer von „schwarzen Muscheln" besiedelt. 2007 wurde daraufhin einerseits begonnen nach den Ursachen für die fehlende Reproduktion zu forschen, anderseits wurde das gesamte Gewässer nach Resten dieses einstmals großen Bestandes abgesucht. Im Rahmen dieser Untersuchungen wurde zunächst das Gewässerumland kartiert, wobei nur jene Vegetationsformen unterschieden wurden, deren Einfluss auf das Gewässerökosystem für den Flussperlmuschelschutz relevant sind. Fichtenforste etwa führen, im Gegensatz zu standorttypischen Laubwäldern, zu Gewässerversauerung und sind darüber hinaus erosionsgefährdet. Durch Erosion kommt es zu Einschwemmungen von Feinsedimenten, die das Habitat der Jungmuscheln - den Sedimentlückenraum (Interstitial) des Bachgrundes - verstopfen. Von intensiv genutzten Wiesen und Äckern werden Nährstoffe und Gülle in das Gewässer abgeschwemmt. Da die Flussperlmuschel aber auf nährstoffarme Gewässer angewiesen ist, sind die Folgen eines solchen Eintrages besonders für Jungmuscheln fatal. Durch die auf solchen Flächen übliche Drainagierung kommt es darüber hinaus ebenfalls zu Einschwemmungen von erheblichen Mengen von Feinsedimenten, mit den bereits angeführten Folgen.
Die durchgeführte Umlandkartierung ergab, dass vor allem im Oberlauf des Untersuchungsgewässers noch viele ökologisch wertvolle Feuchtwiesen mit seltenen Pflanzenarten wie Fieberklee (Menyanthes trifoliata) und Wollgras (Eriphorum angustifolium) zu finden sind. An einer trockenen Böschung in Gewässernähe wächst außerdem das im Mühlviertel bereits ausgesprochen seltene Manns-Knabenkraut (Orchis mascula) und auch das Blaue Pfeifengras (Molinia caerulea) bildet noch ausgedehnte Bestände. Nichtsdestotrotz sind bereits viele Flächen der land- und forstwirtschaftlichen Intensivierung zum Opfer gefallen.
Um festzustellen von welchen Flächen erhöhte Nährstoffbelastungen ausgehen, wurden an jedem Zufluss und an den Einmündungen von Entwässerungsgräben und Drainagerohren Leitfähigkeits- und ph-Wert-Messungen durchgeführt. Diese ergaben zwar nur vereinzelte erhöhte Nährstoffeinschwemmungen, jedoch ist davon auszugehen, dass es durch die periodische Düngung fast aller Flächen zu temporär stark erhöhten Einschwemmungen kommt.
Das Ergebnis der Suche nach eventuell noch vorkommenden Restbeständen, neben der bekannten, etwa 200 Individuen umfassenden Population, war ernüchternd: Es wurde nur eine einzige lebende Muschel gefunden.
Der Zustand der Flussperlmuschelpopulation sowie die weiterhin zunehmende Intensivierung der Landwirtschaft im Einzugsgebiet des Gewässers ergeben dringenden Handlungsbedarf, soll dieses Restvorkommen vor dem vollständigen Verschwinden bewahrt werden.
Dazu soll in naher Zukunft, in Zusammenarbeit mit den Grundeigentümern, an einem Programm zur Erhaltung der ökologisch wertvollen Feuchtwiesen sowie der Extensivierung des intensiver genutzten Grünlandes gearbeitet werden. Weiters ist geplant, am Gießenbach eine Aufzuchtstation für Flussperlmuscheln zu betreiben. Zur Verwirklichung dieses Zieles wurde im Herbst 2007 als erster Schritt ein Abschnitt des Gewässers vom OÖ Naturschutzbund gepachtet. Somit ist auch gewährleistet, dass eine intakte Population der heimischen Bachforelle im Gewässer erhalten bleibt, was für die Fortpflanzung der Muschel von großer Bedeutung ist.
Alle geplanten Maßnahmen, die auf die Wiederherstellung der ökologischen Funktionsfähigkeit des Gewässereinzugsgebietes abzielen, kommen natürlich nicht nur der Flussperlmuschel, sondern vielen weiteren, leider ebenfalls bereits selten gewordenen Fließgewässerorganismen zugute. Beispiele hierfür sind Koppe (Cottus gobio), Elritze (Phoxinus phoxinus), Bachneunauge (Lampetra planeri), Steinkrebs (Austropotamobius torrentium) und die Zweigestreifte Quelljungfer (Cordulegaster boltonii), die allesamt an saubere, strukturreiche Oberläufe von Fließgewässern angewiesen sind.